Filmreihe zu Bodenfrage, Mieterkampf und Selbstversorgung
Programm 1: Gegen Bauspekulanten und Stadtzerstörer
präsentiert von Florian Wüst
Die beiden Filme des Programms dokumentieren die Geschichte des westdeutschen Arbeiterwohnungsbaus aus unterschiedlichen Perspektiven: Vom Wiederaufbau und städteplanerischen Innovationen nach 1945 bis zum Kampf einer MieterInneninitiative Mitte der 1970er Jahre gegen den Abriss einer der ältesten Zechensiedlungen des Ruhrgebiets.
Wir schaffen Wohnstätten, Rheinisch-Westfälische Wohnstätten AG, u.a., BRD 1953, 22′
Flöz Dickebank, Johannes Flütsch, Klaus Helle, Marlis Kallweit, BRD 1975, 67′
Filmbeschreibungen
Wir schaffen Wohnstätten
Rheinisch-Westfälische Wohnstätten AG, u.a., BRD 1953, 22′
Der Filmbericht der Rheinisch-Westfälischen Wohnstätten AG, der Rheinischen Wohnstätten AG und der Westfälischen Wohnstätten AG zeigt den Beitrag der drei Immobilienunternehmen zum Wiederaufbau des Ruhrgebiets nach Ende des Zweiten Weltkriegs. „In großen Planungsabteilungen arbeiten unsere Architekten. Reger Gedankenaustausch schafft die Voraussetzung für neuzeitliches Bauen und damit für gesunde und schöne Wohnungen.” Während sich der erste Teil des Films auf die Planung von Reparaturen im Krieg beschädigter Häuser und neuer städtebaulicher Lösungen für die Arbeiter der Bergbau- und Stahlindustrie konzentriert, geht es im zweiten Teil um bautechnische und bauökonomische Details. Die Umsetzung der Wohnungsbauprogramme vertraut dabei nicht nur auf „manche Million aus dem Marshallplan”, sondern ebenso auf die Selbsthilfe der Arbeiter: „Anstrengend – gewiß,” konstatiert der Kommentator im Film. „Aber sie haben es geschafft: die Schichten unter Tage und die Errichtung der eigener Siedlerstellen, die nach einer Wartezeit von drei Jahren als ihr Eigentum ins Grundbuch eingetragen werden sollen.” Das Eigenheim des „tüchtigen Bergmannes” findet sich „traulich eingebettet in das Grün von Bäumen, Sträuchern, Hecken und Blumengärten.” Wie es um die Bedingungen des sozialen Wohnungsbaus für diejenigen bestellt ist, die nicht zur Arbeiterelite zählen, die es „geschafft” hat, bleibt unerwähnt.
Flöz Dickebank
Johannes Flütsch, Klaus Helle, Marlis Kallweit, BRD 1975, 67′
Der an der dffb entstandene Dokumentarfilm zeigt den Kampf der BewohnerInnen von Flöz Dickebank gegen den beabsichtigten Abriß ihrer Siedlung. Flöz Dickebank wurde um 1870 für die Arbeiter der Gelsenkirchener Zeche Alma erbaut und stellt eine der ältesten Arbeitersiedlungen im Ruhrgebiet dar. 1974 beschlossen Stadtverwaltung und Rheinisch-Westfälische Wohnstätten AG als Eigentümerin, die Zechenhäuser mit Garten durch Hochhausbauten zu ersetzen. Der Film wurde über den Zeitraum von vier Wochen vor Ort gedreht und schildert den Wohn- und Arbeitsalltag in Flöz Dickebank sowie die Auseinandersetzungen der MieterInneninitiative mit Parteien, Gewerkschaften und Medien. Es gibt im Film keinen Kommentar. Was zu sagen ist, sagen die Betroffenen selbst. „Und jetzt, nach so viel Jahren, kommen die hier mit einem Plan an, mit hohen Häusern und großen Kästen. Die sagen sich: Die verfluchten kleinen Proleten leben da so schön im Grünen. Denen reißen wir die Buden unterm Arsch ab.” Der Widerstand gegen Kahlschlagsanierung und Bauspekulation war erfolgreich. Nach Fertigstellung des Films und insgesamt zweijährigem Protest, der trotz Zwangsräumungen nicht nachließ, wurde im Sommer 1976 der Erhalt und die Instandsetzung von Flöz Dickebank verkündet. Heute befindet sich die unter Denkmalschutz stehende Siedlung im Prozess der Privatisierung, ein Fünftel der 125 Hauseinheiten ist bereits verkauft.